Tour 18 - Irpin

12.12.2022

Am 01. Dezember begann unsere bisher weiteste Tour - nach Irpin in der Nähe von Kiew. Irpin erlangte zu Beginn des Krieges traurige Berühmtheit, da dort der Frontverlauf mitten durch die Stadt ging und so ganze Viertel nahezu komplett zerstört wurden.

Nachdem wir unseren Transporter mit Hilfsgütern voll beladen hatten, sind wir am 01.12. um kurz vor Mitternacht zu unseren Freunden von "Elephant", einer Hilfsorganisation in Lancut/ Polen, aufgebrochen. Nach rund 12 Stunden Fahrt sind wir dort sehr freundlich empfangen worden. Es gab zuerst mal einen warmen Kaffee zum Aufwärmen und anschließend haben wir gemeinsam Pizza gegessen und uns über die Ukraine- Hilfe der letzten Monate ausgetauscht. Anschließend haben wir unseren Transporter noch umgeladen und mit den Hilfsgütern befüllt, die ausschließlich für unsere Partnerorganisation in der Ukraine "Humanist Poltava" gedacht waren. Nach einem letzten Gruppenfoto und herzlicher Verabschiedung haben wir uns dann gegen 17 Uhr Richtung Irpin aufgemacht. 

Nachdem wir an der Grenze 4 Stunden benötigt haben bis wir passieren konnten sind wir erst gegen 06:30 Uhr am Samstagmorgen in Irpin angekommen. Eine Stunde später kam bereits der Transporter aus Poltava. Also hieß es Spenden umladen. Taggleich am Nachmittag haben wir bereits die Info erhalten, dass die Hilfsgüter gut in Poltava angekommen sind


Dima, der zweite Fahrer, ist ein ukrainischer Flüchtling, der aus Irpin stammt. Er hat dort auch noch eine (zum Glück nahezu unbeschädigte) Wohnung, in der aktuell seine Schwester wohnt. Wir haben dann zufällig Dimas ehemaligen Chef getroffen, der in Irpin geblieben ist. Er hat sich sofort für uns Zeit genommen und hat mit uns eine kleine Stadtrundfahrt gemacht. Die Zerstörung, die noch an vielen Stellen der Stadt vorhanden ist, war sehr erdrückend. Auch eine Begegnung mit einem Bekannten von Dima, der in Militärkleidung im Auto saß und Dima zugerufen hat, dass er 10 Tage Fronturlaub hatte und nun wieder nach Bahmut an die Front fahrt, hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Bahmut, der Ort den so viel aktuelle die "Hölle auf Erden" nennen. Und wer von dort schon einmal Bilder gesehen hat, weiß, dass es auch so ist. Auf der anderen Seite ist die Art und Weise, wie die Ukrainer mit dieser Situation umgehen, sehr beeindruckend. Viele Läden hatten einen Generator, um unabhängig von dem immer wieder ausfallenden Stromnetz zu sein. Wir selbst haben in Dimas Wohnung über 8 Stunden keinen Strom gehabt: keine Heizung, kein Warmwasser, kein Licht, kein Internet, kein Handyempfang. Die Leute lassen sich davon aber nicht unterkriegen, sie haben sich damit arrangiert und bleiben positiv gestimmt. Getreu dem Motto: Wir lassen uns von nichts unterkriegen. Wie ich bereits sagte: sehr beeindruckend.


Nachdem wir dann noch Dimas Schwiegermutter besucht haben und uns mit Borschtsch gestärkt hatten, ging es für uns gegen 22 Uhr am Samstagabend weiter. Wir haben zunächst in einem Supermarkt noch Barspenden in Lebensmittel umgetauscht. Dann haben wir einen kleinen Umweg gemacht und sind noch nach Kiew gefahren, was 30 km von Irpin entfernt liegt. Vorbei am Maidan durch menschenleere Straßen weiter in Richtung unseres nächsten Ziels: Mukatsewo. 

In Mukatsewo sind wir dann am Sonntag gegen 11 Uhr angekommen und haben unsere Spenden abgegeben. Das Kinder- und Waisenheim benötigt die Unterstützung und die leuchtenden Kinderaugen zu sehen gibt einfach viel Kraft und weitere Motivation. Wir haben dann in Mukatsewo noch zu Mittag gegessen und haben uns gegen 16 Uhr auf den Nachhauseweg gemacht.

Am Montagmorgen gegen 07:00 Uhr sind wir dann erschöpft in Göppingen angekommen.


Ich möchte hier am Ende des Berichtes gerne darauf eingehen, was mich bei dieser Tour am meisten bewegt hat:

Es war die Begegnung mit Artem, Dimas ehemaligem Chef. Er hat 2,5 Jahre in Erlangen studiert und konnte sich deshalb mit mir auf Deutsch unterhalten. Artem ist kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine Vater geworden. Das waren seine Worte an mich: "Wir Ukrainer möchten in Freiheit leben. Freiheit ist das Wichtigste für uns. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir das auch schaffen, aber wir benötigen die Unterstützung von Europa, von euch. Der Grund, wofür wir kämpfen, ist Freiheit. Wir möchten so leben wie ihr! In Freiheit und nicht in Unterdrückung. Das, was ihr tun müsst, ist uns weiterhin zu zeigen, dass wir für das Richtige kämpfen und uns weiterhin unterstützen. Jeder wie er kann, aber zumindest seelisch und moralisch. Werdet nicht müde mit eurer Unterstützung, und wir werden nicht müde mit unserem Kampf für Freiheit".

Lasst uns gemeinsam weiter unterstützen, solange dieser scheiß Krieg auch dauern mag. Danke.

Thomas Ulmer